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12. August 2021

Wegen Massenhinrichtungen im Iran: Prozess gegen Funktionär des Teheraner Regimes hat in Schweden begonnen

Historischer Prozess: Zum ersten Mal muss sich ein Funktionär des iranischen Regimes wegen der Massentötungen von politischen Gefangenen vor Gericht verantworten. Menschenrechtler setzen sich dafür ein, dass auch gegen den neuen Regime-Präsidenten Raisi wegen Menschenrechtsverbrechen strafrechtlich ermittelt wird.

Am 10. August hat in Stockholm der Prozess gegen den iranischen Regime-Funktionär Hamid Nouri begonnen. Die schwedische Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, an Massenhinrichtungen beteiligt gewesen zu sein, denen im Sommer 1988 im Iran tausende politische Gefangene zum Opfer fielen. Die Anklage gegen den 60-Jährigen, so die Staatsanwältin Kristina Lindhoff Carleson, sei ein wichtiges Signal, dass selbst weit zurückliegende und außerhalb des Landes begangene Völkerrechtsverbrechen in Schweden strafrechtlich verfolgt werden könnten. Nouri wurde im November 2019 bei der Einreise aus dem Iran auf dem Stockholmer Flughafen festgenommen. Seither befindet er sich in Untersuchungshaft.

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Vor dem Gerichtsgebäude in Stockholm: Angehörige der Opfer der Massenhinrichtungen von 1988 fordern Gerechtigkeit. 

Die Staatsanwaltschaft begründet die Zuständigkeit der schwedischen Justiz mit dem Weltrechtsprinzip, das auch als „Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit“ bezeichnet wird. Auf der Grundlage dieses Prinzips können schwere Menschenrechtsverbrechen rund um den Globus strafrechtlich verfolgt werden, unabhängig davon, auf wessen Territorium die Taten begangen wurden und welche Staatsangehörigkeit die Täter oder die Opfer besitzen. Das Weltrechtsprinzip findet bei Verbrechen Anwendung, die Straftatbestände im Völkerstrafrecht sind, darunter bei Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.

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Mehrere hundert Exil-Iraner und Menschenrechtler versammelten sich vor dem Gerichtsgebäude in Stockholm zu Kundgebungen. Sie forderten, dass auch der neue Regime-Präsident Ebrahim Raisi für seine Beteiligung an Massenhinrichtungen strafrechtlich verfolgt werden sollte.

Das Massaker, das 1988 an politischen Gefangenen im ganzen Iran verübt wurde, gilt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Gerichtsverfahren in Schweden ist ein großer Erfolg für die Menschenrechtskampagne, die sich dafür einsetzt, dass die Täter und Verantwortlichen dieses Massakers auf internationaler Ebene nach dem Weltrechtsprinzip strafrechtlich verfolgt werden. Es ist das erste Mal, dass sich ein Funktionär des iranischen Regimes wegen dieses Massakers vor Gericht verantworten muss.

Medienberichten zufolge begrüßte Erik Halkjær, Vorsitzender der schwedischen Sektion von Reporter ohne Grenzen, das Verfahren als „ersten wichtigen internationalen Schritt, um den schrecklichen Übergriffen, Massakern und außergerichtlichen Hinrichtungen, die 1988 im Iran stattfanden, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen“. Er hoffe, dass das Verfahren gegen dieses mutmaßliche Mitglied der „Todeskomitees“ auch Konsequenzen gegen weitere Hauptverantwortliche der Massenhinrichtungen haben werde, zu denen auch der neue Präsident des Teheraner Regimes, Ebrahim Raissi gehöre.

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Demonstranten in Stockholm zeigen Fotos von im Iran hingerichteten politischen Gefangenen.

Nach Angaben der schwedischen Staatsanwaltschaft war der Angeklagte Hamid Nouri während der Massenhinrichtungen im Gohardasht-Gefängnis in der unweit von Teheran gelegenen Stadt Karaj als Assistent eines Anklägers tätig. Nach umfangreichen Ermittlungen wird er der Beteiligung an Massenhinrichtungen und somit des vorsätzlichen Mordes in Hunderten Fällen beschuldigt. Die meisten Hingerichteten gehörten der größten iranischen Widerstandsbewegung MEK an.

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Das Gerichtsverfahren in Stockholm wird mit rund 100 Verhandlungstagen einer der umfassendsten schwedischen Strafrechtsprozesse werden und soll bis April 2022 dauern. Fast 70 Nebenkläger und Zeugen aus verschiedenen europäischen und nordamerikanischen Staaten und aus Australien sind geladen, darunter auch viele ehemalige Gefangene des Gohardasht-Gefängnisses.

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In Stockholm wurde auch mit Fotoausstellungen der Opfer der Massenhinrichtungen von 1988 im Iran gedacht.

Straflosigkeit für Menschenrechtsverbrechen muss ein Ende haben!

Die fundamentalistische Diktatur im Iran hat sich in den letzten Jahrzehnten schwerster Menschenrechtsverbrechen schuldig gemacht, darunter der massenweisen, systematischen Tötung von Oppositionellen. Die Massenhinrichtungen im Iran werden von Völkerrechtsexperten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. Sie sind somit ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht. Dennoch sind die Täter, zu denen zahlreiche aktuelle Funktionäre der Teheraner Diktatur gehören, bis heute straflos geblieben.

Menschenrechtler und Völkerrechtsexperten setzen sich mit einer internationalen Kampagne dafür ein, dass die Täter der Menschenrechtsverbrechen im Iran auf internationaler Ebene strafrechtlich verfolgt werden. Die Täter, so die Forderungen, müssten auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips von nationalen Gerichten oder vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag für ihre Menschenrechtsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Die bisherige Straflosigkeit müsse ein Ende haben. Nur so könne den aktuellen Menschenrechtsverletzungen im Iran Einhalt geboten werden.

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Menschenrechtler fordern Ermittlungen gegen den neuen Regime-Präsidenten Raisi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Zahlreiche Dokumente und Augenzeugenberichte, die von Menschenrechtlern auf der ganzen Welt recherchiert und geprüft wurden, belegen die aktive Rolle, die der neue Regime-Präsident Ebrahim Raisi seit Jahrzehnten bei den Menschenrechtsverbrechen im Iran spielt. Menschenrechtsexperten forderten daher die umgehende Einleitung internationaler strafrechtlicher Ermittlungen gegen Raisi.

Amnesty International hat am 19. Juni 2021 strafrechtliche Ermittlungen gegen Raisi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Mord, Verschwindenlassen und Folter verlangt. Agnès Callamard, die Generalsekretärin von Amnesty International und ehemalige UNO-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen, erklärte dazu: „Wir fordern weiterhin, dass gegen Ebrahim Raisi wegen seiner Beteiligung an vergangenen und laufenden Verbrechen nach dem Völkerrecht ermittelt wird, auch von Staaten, die das Weltrechtsprinzip anwenden.“

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Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Massaker an politischen Gefangenen im Jahre 1988

Von besonderer Bedeutung ist die nachgewiesene Beteiligung von Raisi an den Massenhinrichtungen des Jahres 1988. Dabei handelt es sich um ein organisiertes staatliches Massaker, das im Spätsommer und Herbst 1988 auf Befehl des damaligen Regime-Führers Khomeini an politischen Gefangenen im ganzen Iran verübt wurde. Schätzungen zufolge fielen diesem Massaker bis zu 30000 Gefangene zum Opfer.

Sie wurden gezielt ermordet, um jeden politischen Dissens zu ersticken. Die Hingerichteten wurden von ihren Henkern in namenlosen Massengräbern verscharrt. Familienangehörige wurden eingeschüchtert und bedroht, damit keine Informationen über das Massaker an die Außenwelt gelangen.

Über die Hinrichtungen entschieden sogenannte „Todeskomitees“, die die Gefangenen in Prozessen, die nur wenige Minuten dauerten, gruppenweise zum Tode verurteilten. Das Todeskomitee, das über die Hinrichtungen in den Gefängnissen im Großraum Teheran entschied, hatte vier leitende Mitglieder. Einer von ihnen war der neue Regime-Präsident Raisi. Allein in den Gefängnissen Evin und Gohardasht, für die Raisi zuständig war, wurden tausende Hinrichtungen vollstreckt.

mehr Informationen:
Iran: UN-Experte fordert Untersuchung der Massenhinrichtungen und der Rolle des Regime-Präsidenten Raisi

mehr Informationen zu den Massenhinrichtungen von 1988

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