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18. Januar 2020

Amnesty International verurteilt gewaltsame Unterdrückung von Protesten im Iran

Amnesty International: Sicherheitskräfte haben mit Luftgewehren auf friedliche Demonstrierende geschossen, was zu Blutungen und schmerzhaften Verletzungen führte. Sie setzten außerdem Gummigeschosse, Tränengas und Pfefferspray ein, um die Demonstrierenden zu zerstreuen. Diese wurden auch geschlagen und getreten, mit Schlagstöcken verprügelt und willkürlich festgenommen.

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Im Iran haben am 11. und 12. Januar erneut tausende Menschen gegen das Regime demonstriert. Anlass der Proteste war der Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeuges durch Regime-Gardisten kurz nach dem Start vom Teheraner Flughafen. Dabei waren am 8. Januar alle 176 Insassen getötet worden.

Nach Angaben von Amnesty International haben iranische Sicherheitskräfte auch während dieser Proteste rechtswidrige Gewalt gegen friedliche Demonstrierende eingesetzt. Bei ihren Recherchen überprüfte die Organisation Videoaufnahmen, Fotos und Berichte von Opfern und von Personen, die vor Ort waren und das brutale Vorgehen mit eigenen Augen gesehen haben.

Video: Regime-Gewalt gegen friedliche Proteste in Teheran, verletzte Demonstranten

In der Pressemitteilung von Amnesty International heißt es u.a.:

Die Beweise deuten darauf hin, dass die Sicherheitskräfte am 11. und 12. Januar 2020 mit Luftgewehren, die normalerweise für die Jagd verwendet werden, auf friedliche Demonstrierende geschossen haben, was zu Blutungen und schmerzhaften Verletzungen führte. Die Sicherheitskräfte setzten außerdem Gummigeschosse, Tränengas und Pfefferspray ein, um die Demonstrierenden zu zerstreuen. Diese wurden auch geschlagen und getreten, mit Schlagstöcken verprügelt und willkürlich festgenommen.

"Es ist entsetzlich, dass Irans Sicherheitskräfte friedliche Mahnwachen und Proteste von Menschen, die Gerechtigkeit für die 176 bei dem Flugzeugabsturz getöteten Passagiere fordern und ihren Ärger über die anfängliche Vertuschung durch die iranischen Behörden zum Ausdruck bringen, gewaltsam niedergeschlagen haben", so Philip Luther, Experte für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.

"Die Anwendung rechtswidriger Gewalt bei den jüngsten Demonstrationen ist Teil eines langjährigen systematischen Vorgehens der iranischen Sicherheitskräfte."

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Teheran, 11. Januar 2020: Regime-Truppen gegen friedliche Demonstranten

Rechtswidrige Gewaltanwendung

Amnesty International vorliegende Zeugenaussagen und Fotos deuten darauf hin, dass die Sicherheitskräfte Luftgewehrkugeln abgefeuert haben, was zu schmerzhaften Wunden führte und chirurgische Eingriffe zur Entfernung der Kugeln erforderte, sowie zu Verletzungen, wie sie beim Einsatz von Gummigeschossen entstehen. Derartige Kugeln sind für den Einsatz in jeder polizeilichen Situation völlig ungeeignet.

Das für die Überprüfung von Foto- und Videomaterial zuständige Digital Verification Corps (DVC) von Amnesty verifizierte auch Dutzende von Videos, die zeigen, wie Sicherheitskräfte mit Tränengas in Gruppen friedlich Demonstrierender feuern. (…)

Amnesty hat von mehreren Demonstrierenden Fotos ihrer Wunden erhalten. Aus Angst vor einer Festnahme haben viele kein Krankenhaus aufgesucht, um die Kugeln entfernen zu lassen – diese stecken noch immer in ihrem Körper und verursachen Schmerzen.

Sicherheits- und Geheimdienstkräfte sind in einigen Krankenhäusern stark präsent, was Anlass zu der Befürchtung gibt, dass sie vorhaben, dort Menschen festzunehmen, die medizinisch behandelt werden. Nach Amnesty International vorliegenden Informationen haben Sicherheitskräfte auch versucht, einige verletzte Protestierende in Militärkrankenhäuser zu verlegen. Einige Kliniken und Krankenhäuser in Teheran haben Verletzte abgewiesen und ihnen gesagt, dass sie festgenommen würden, sobald die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte herausfänden, dass sie an den Protesten teilgenommen haben. (…)

In mehreren Videos, die in der U-Bahn-Station Shademan in Teheran aufgenommen wurden, hört man Menschen sagen, dass die Sicherheitskräfte im U-Bahnhof Tränengas abgefeuert haben. Tränengaskanister dürfen nur weiträumig eingesetzt werden und können zu schweren Verletzungen und sogar zum Tod führen, besonders wenn sie in einem geschlossenen Raum zum Einsatz kommen. Sie sollten immer nur im Rahmen einer gezielten Reaktion auf bestimmte Gewaltakte verwendet werden und niemals zur Zerstreuung friedlicher Demonstrierender. Sie dürfen auch niemals in geschlossenen Räumen eingesetzt werden.

In vielen Fällen verstoßen die Aktionen der Sicherheitskräfte gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen nach dem Völkerrecht.

Willkürliche Festnahmen

Berichten zufolge wurden in Städten, in denen Proteste stattgefunden haben, zahlreiche Personen festgenommen, darunter auch Studierende. Zu diesen Städten gehören Ahvaz in der Provinz Chuzestan, Isfahan in der Provinz Isfahan, Zandschan in der Provinz Zandschan, Amol und Babol in der Provinz Masanderan, Bandar Abbas in der Provinz Hormozgan, Kermanshah in der Provinz Kermanshah, Sanandadsch in der Provinz Kurdistan, Maschhad in der Provinz Razavi-Chorasan. Schiras in der Provinz Fars, Täbris in der Provinz Ost-Aserbaidschan und Teheran.

Wie Amnesty International erfuhr, verweigern die Behörden in mindestens zwei Städten – Amol und Teheran – einigen Familien von Inhaftierten die Auskunft über deren Schicksal und Verbleib. Dies kommt dem Verbrechen des Verschwindenlassens nach dem Völkerrecht gleich. (…)

"Irans Sicherheitskräfte haben erneut einen unvertretbaren Angriff auf die Rechte des iranischen Volkes auf friedliche Meinungsäußerung und Versammlung verübt und zu rechtswidrigen und brutalen Maßnahmen gegriffen", sagt Philip Luther.

"Die iranischen Behörden müssen die Repressionen dringend beenden und sicherstellen, dass die Sicherheitskräfte maximale Zurückhaltung üben und das Recht der Protestierenden auf friedliche Meinungsäußerung und Versammlung respektieren. In Haft befindliche Personen müssen vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden, und alle willkürlich Inhaftierten sind freizulassen."

Hintergrund

Die Proteste hatten am 11. Januar begonnen, nachdem die iranischen Behörden eingeräumt hatten, das ukrainische Flugzeug versehentlich abgeschossen zu haben. Dem waren drei Tage vorausgegangen, in denen die Behörden jegliche Verantwortung von sich gewiesen und technisches Versagen für den Absturz verantwortlich gemacht hatten. Die Proteste weiteten sich schnell auf Forderungen gegen die herrschenden Institutionen und Forderungen nach einem Wandel des politischen Systems des Landes aus. Gefordert wurden auch ein Verfassungsreferendum und das Ende des Systems der Islamischen Republik. (…)

zur Pressemitteilung von Amnesty International

mehr Informationen



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