Menschenrechtsverein


Sprungmarken

Menschenrechtsverein für Migranten e.V.
Protest-500-3
25. April 2023

Besorgnis über zunehmende Giftanschläge auf Schülerinnen im Iran

Amnesty International warnt davor, dass Millionen Schülerinnen im Iran Vergiftungen drohen: "Es besteht großer Anlass zur Sorge um die Rechte auf Bildung, Gesundheit und Leben von Millionen von Schülerinnen im Iran angesichts anhaltender, offenbar gezielter und gut organisierter Gasangriffe auf Mädchenschulen im ganzen Land."

Giftanschläge-400

Aus dem Iran gehen täglich Berichte über zunehmende Giftanschläge auf Schülerinnen ein. In den letzten Monaten gab es nach Angaben von Menschenrechtlern über 300 Angriffe auf mehr als 100 Mädchenschulen im ganzen Land. Seit Anfang April waren Schulen in Teheran und mehreren Provinzen, darunter Alborz, Ardabil, Ost-Aserbaidschan, Isfahan, Fars, Kermanschah, Khuzestan, Kurdistan, Mazandaran und West-Aserbaidschan, davon betroffen. Die Giftanschläge auf Mädchen haben an Grund-, Mittel- und Oberschulen stattgefunden.

Giftanschläge-200

Täglich sind Videos von Betroffenen und Augenzeugen im Internet zu sehen, die zeigen, dass Schülerinnen auf dem Schulgelände husten, in Panik nach Luft ringen oder in Krankenhäusern behandelt werden. Aus offiziellen Angaben geht hervor, dass bisher mindestens 13.000 Schülerinnen wegen Vergiftungen medizinisch behandelt wurden. Die Opfer der Angriffe geben an, sie hätten einen ungewöhnlichen Gasgeruch in der Schule wahrgenommen und litten an Vergiftungssymptomen wie Übelkeit, Brechreiz, Atemproblemen, Kopfschmerzen und Ohnmacht.

Bereits Mitte März haben mehrere Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen, darunter Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Diskriminierung von Frauen und Mädchen und des UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, ihre Besorgnis über die Giftanschläge zu Ausdruck gebracht: „Wir sind zutiefst besorgt um das körperliche und seelische Wohlergehen der Schulmädchen und ihrer Eltern sowie um die Fähigkeit der Mädchen, ihr Grundrecht auf Bildung wahrzunehmen. … Wir sind sehr beunruhigt über die Tatsache, dass die staatlichen Behörden es mehrere Monate lang unterlassen haben, die Angriffe zu untersuchen, und sie bis vor kurzem wiederholt geleugnet haben.“ Die Experten äußerten ihre Befürchtung, dass es sich um organisierte Angriffe handele, um Mädchen dafür zu bestrafen, dass sie an der Protestbewegung teilnehmen, sich gegen den Schleierzwang aussprechen und ihre Forderungen nach Gleichberechtigung zum Ausdruck bringen.

mehr Informationen

Auch Amnesty International befasst sich in einer Urgent Action vom 18. April 2023 mit den Giftangriffen auf Schulmädchen. Dort heißt es u.a.:

„Bei den Giftangriffen scheint es sich um eine gezielte Kampagne zu handeln, um Schülerinnen für ihre friedliche Beteiligung an den landesweiten Protesten zu bestrafen, die Mitte September 2022 ausgebrochen waren. Dabei hatten die Schülerinnen unter anderem ihr obligatorisches Kopftuch abgelegt und ihr Haar öffentlich gezeigt, während sie Schuluniform trugen. Viele Menschen im Iran vermuten, dass staatsnahe Akteure oder regierungsfreundliche Bürgerwehren ermutigt durch die diskriminierenden und erniedrigenden Gesetze und politischen Maßnahmen des Iran, in denen die Gewalt gegen Frauen und Mädchen festgeschrieben wird, in die Angriffe verwickelt sind. Zu dieser Annahme kommen sie insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Behörden keine sinnvollen Maßnahmen ergreifen und versuchen, öffentliche Kritik zum Schweigen zu bringen.“

Amnesty International berichtet auch, dass es angesichts der Giftanschläge zu öffentlichen Protesten von besorgten Eltern, Schülerinnen, Lehrkräften und anderen Personen gekommen ist, auf die das Teheraner Regime mit Unterdrückung reagiert hat: „Im März wurden Proteste, die von Lehrerinnengewerkschaften im Zusammenhang mit den Vergiftungen und den Arbeitsbedingungen organisiert worden waren, durch Schläge, Pfefferspray und Tränengas gewaltsam aufgelöst. … Am 15. April feuerten Sicherheitskräfte in Shahin Shahr in der Provinz Isfahan Tränengas auf besorgte Eltern, Lehrkräfte und Unterstützerinnen, die sich vor dem Schulgebäude der Stadt versammelt hatten, um gegen die fortlaufende Vergiftung von Schülerinnen in der Stadt zu protestieren.“

In der Urgent Action bringt Amnesty Besorgnis zum Ausdruck und fordert Aufklärung:

Iran Millionen Schülerinnen droht Vergiftung

„Es besteht großer Anlass zur Sorge um die Rechte auf Bildung, Gesundheit und Leben von Millionen von Schülerinnen im Iran angesichts anhaltender, offenbar gezielter und gut organisierter Gasangriffe auf Mädchenschulen im ganzen Land. Seit November 2022 wurden mehr als 100 Schulen angegriffen, einige davon mehrmals. Nach den ersten Berichten aus der Provinz Ghom haben sich die Angriffe auf andere Provinzen ausgeweitet und an Häufigkeit zugenommen. Mittlerweile werden mehrere Schulen täglich angegriffen. Die Angriffe haben dazu geführt, dass Schülerinnen mit Symptomen wie Husten, Atembeschwerden, Nasen- und Rachenreizungen, Herzklopfen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Taubheitsgefühlen in den Gliedmaßen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Einige Eltern haben ihre Töchter aus Angst um ihre Sicherheit von der Schule genommen. Seit Bekanntwerden der Angriffe versuchen die Behörden, Schwere und Ausmaß der Angriffe zu vertuschen. Noch immer wurden weder wirksame und unabhängige Untersuchungen durchgeführt noch sinnvolle Schritte unternommen, um den Angriffen ein Ende zu setzen. Im März 2023 gaben die Behörden die Festnahme von mehr als 118 Personen bekannt, die sie der Beteiligung am Schmuggel von Stinkbomben verdächtigten – ihrer Ansicht nach die Hauptursache der Vergiftungen. Obwohl aus offiziellen Statistiken hervorgeht, dass 13.000 Schülerinnen wegen Vergiftungen medizinisch behandelt wurden, erklärte der Gesundheitsminister am 14. April, es würden keine stichhaltigen Beweise vorliegen, dass Schülerinnen vergiftet wurden, und mehr als 90 Prozent der Erkrankungen seien auf Stress und Unfug zurückzuführen. Auch von anderen Regierungsvertreterinnen wurden die Symptome der Schülerinnen als Angst, Aufregung undoder schädlicher psychischer Einfluss abgetan. Die Behörden versuchten auch, öffentliche Forderungen nach einer Rechenschaftspflicht zu unterdrücken, indem sie mit Gewalt, Einschüchterung und Festnahmen gegen verzweifelte Eltern, Schülerinnen, Lehrerinnen, Journalistinnen und andere Personen vorgingen, weil diese friedlich protestiert oder darüber berichtet hatten, dass die Behörden nicht gegen die Vergiftungen vorgingen.“

Amnesty International fordert, dass unverzüglich eine unabhängige, sorgfältige und zielführende Untersuchung der Vergiftung von Schülerinnen durchgeführt wird und dass die Verantwortlichen in fairen Verfahren strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Einer unabhängigen internationalen Delegation zur Untersuchung der Angriffe müsse Zugang zum Land zu gewährt werden. Außerdem fordert Amnesty, dass Mädchen gleichberechtigten und sicheren Zugang zu Bildung erhalten und vor jeder Form von Gewalt geschützt werden.

mehr Informationen



Spendenaufruf-80 Iran: Menschenrechte verteidigen! Hinrichtungen stoppen! zum Spendenaufruf

armita-190-2 Opfer der Regime-Gewalt im Iran: Bestürzung über den Tod der Schülerin Armita Geravand (16) weiterlesen

Frauenrechtlerinnen-190 Iran: Regime-Justiz bestraft Frauenrechtsaktivistinnen mit Gefängnis und Auspeitschung weiterlesen

Politische-Gefangene-190 Regimegegnerinnen zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt weiterlesen

Erfaneh-Barzekar-190 Iran nach dem Jahrestag: Proteste und Repression weiterlesen

Frauenrechtlinnen-190-2 Iran: Repressalien gegen Frauen, die sich für Freiheit und Menschen-rechte einsetzen weiterlesen

tn.christenverfolgung-80t-2 Christen im Iran brauchen Schutz und Hilfe weiterlesen

Frauenrechte-190 Iran: Regime verschärft Verfolgung von Frauenrechtsaktivistinnen  weiterlesen

shirani-80 Iran: 19-jähriger Student im Gefängnis zu Tode gefoltert weiterlesen

Younesi-190 Vater und Sohn wegen Einsatz für Demokratie in Haft weiterlesen


Sprungmarken