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Menschenrechtsverein für Migranten e.V.
Protest-500-3
04. Februar 2023

Bericht über grausame Folter in iranischen Gefängnissen

Das Ergebnis einer Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung bestätigt, dass inhaftierte Demonstranten im Iran seit Beginn der Proteste im Herbst 2022 systematisch psychisch und körperlich gefoltert werden. Die Recherche stützt sich auf übereinstimmende Aussagen von über einem Dutzend Betroffenen im Iran sowie Berichte eines nach Deutschland geflüchteten Gefängniswärters. Mehrere Gefolterte wurden schon bei der Verhaftung und dann in den Verhören mit Knüppeln oder Fäusten so brutal geschlagen, dass ihnen die Knochen gebrochen wurden.

In einem Bericht der ARD-Tagesschau vom 01.02.2023 heißt es dazu u.a.:

Gefängnisse im Iran: Wie das Regime Demonstranten foltert

Knochenbrüche, Peitschenhiebe, psychische Gewalt: Ehemalige iranische Häftlinge und ein geflohener Gefängniswärter berichten NDR, WDR und SZ, wie brutal das Regime im Iran gegen inhaftierte Demonstranten vorgeht.

Von Bamdad Esmaili, Faranak Rafiei, Reiko Pinkert und Daniel Drepper

Laleh Salawi kommt gerade mit ihrer Freundin vom Gitarrenunterricht, als sie mehrere Frauen sieht, die gegen das iranische Regime protestieren. Die beiden Mädchen singen mit, bevor plötzlich Sicherheitskräfte auftauchen, sie umzingeln und mitnehmen. Laleh muss ihr Handy abgeben, bekommt die Augen verbunden - und wird vier Stunden später schwer traumatisiert sein. So erzählt es Laleh, deren Name zu ihrem Schutz geändert wurde, wenige Wochen später im Gespräch mit NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ).

Auf der Polizeistation habe sie zunächst erlebt, wie auch Jungs in den Verhörraum gebracht worden seien. Die Jungs seien auf den Boden gelegt und geschlagen worden. Danach seien Laleh und ihre Freundin dran gewesen. Mehrere Männer, vermutet Laleh später, sollen auf sie eingetreten und sie mit Elektroschockern verletzt haben. Wenig später sei ihr komplettes rechtes Bein blau angelaufen gewesen. (…)

Wie mit Laleh Salawi sprachen die Reporter in den vergangenen Wochen mit mehr als einem Dutzend Iranern, die seit Beginn der Proteste verhaftet wurden. Viele von ihnen berichten von noch viel heftigeren Misshandlungen. Alle Betroffenen sind nach eigenen Angaben inzwischen, oft gegen hohe Kautionen oder auf Bewährung, wieder frei, fast alle sind bis heute im Iran.

Ein großer Teil der Betroffenen berichtet davon, bei der Verhaftung oder in den Verhören mit Knüppeln oder Fäusten geschlagen worden zu sein, mehrere berichten von Knochenbrüchen. Der Mehrheit der Demonstranten, mit denen die Reporter sprachen, sei bei den Verhören die Augen verbunden worden. Einer beschrieb, wie er und seine Mitgefangenen 24 Stunden lang mit einer Augenbinde knien mussten. Wer sich bewegte, sei geschlagen worden.

Drohung mit der Todesstrafe

Neben der körperlichen Folter berichten die Iraner davon, wie sie psychisch eingeschüchtert worden seien. Betroffene seien etwa mit der Todesstrafe bedroht worden, mit Vergewaltigungen, mit Elektroschockern oder Schlägen. Zum Teil sagen die Betroffenen, sie hätten gegen ihren Willen Medikamente verabreicht bekommen.

Die Häftlinge berichten zudem, mitbekommen zu haben, wie Menschen Peitschenhiebe auf ihre nackten Fußsohlen bekommen hätten, wie sie mit Wasserschläuchen ausgepeitscht und mit Elektroschockern gefoltert worden seien. "Du hast die Schreie gehört", erzählt ein junger Mann: "Das war, damit du Angst bekommst und alles zugibst." In insgesamt drei Fällen soll es zu sexueller Gewalt gekommen sein. Die Menschen sollen an Möbelstücken festgebunden und mit Gummiknüppeln oder Elektroschockern vergewaltigt worden sein. (…)

Ehemaliger Wärter bestätigt Misshandlungen

Gestützt werden die Berichte der Betroffenen von einem geflüchteten Gefängniswärter, den Reporter von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" in Deutschland treffen konnten. Nach eigenen Angaben arbeitete er mehr als zehn Jahre in verschiedenen iranischen Gefängnissen - auch nach Beginn der Proteste. Das belegen sein Dienstausweis und Gehaltsabrechnungen.

Er bestätigt die Foltervorwürfe. Mehrmals täglich seien in den Gefängnissen Menschen ausgepeitscht worden. Auch Pfefferspray, Schlagstock oder Elektroschocker hätten seine Kollegen zum Foltern genutzt. Auf seinem Handy zeigt er ein Formular, das Wärter ausfüllen mussten, mit dem Namen der Häftlinge, der Zahl der erhaltenen Peitschenhiebe und dem Fingerabdruck des Inhaftierten.

"Bei den Protestierenden wollte man einfach, dass es ihnen schlecht geht, deshalb wurden sie gefoltert", sagt er. "Kein Erbarmen", habe die Gefängnisleitung angewiesen. Familien seien nicht informiert worden, die Menschen hätten in dünner Haftkleidung in kalten Räumen schlafen müssen, auf dem Betonboden neben ihren eigenen Fäkalien. Irgendwann, erzählt er, habe er es nicht mehr ausgehalten und sei geflohen.

Auswärtiges Amt hat Hinweise auf Folter

Seit Beginn der Proteste im September 2022 ist es für Journalisten nur schwer möglich, Aussagen aus dem Iran zu verifizieren. Die Reporter überprüften aber die Berichte der Gesprächspartner systematisch und konnten viele Angaben mit öffentlich verfügbaren Informationen und mit geografischen Details abgleichen. Die Angaben decken sich auch mit Haftbedingungen, wie sie in früheren Jahren von Gefangenen beschrieben wurden. Zudem konnten die Reporter für einen Großteil der beschriebenen Fälle Dokumente von Gerichten und Gefängnissen sowie Fotos, Videos und medizinische Unterlagen sichten. Diese und Berichte von Verwandten, Freunden oder betreuenden Ärzten stützen die Angaben der Betroffenen.

Ein als vertraulich eingestufter Lagebericht des Auswärtigen Amtes von Ende November unterstreicht Erkenntnisse der Recherchen. Demnach gebe es "zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse". Zudem seien "seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft" bei politischen Häftlingen im Iran üblich.

Auf Anfrage sagte eine Sprecherin des Ministeriums: "Die von den Betroffenen genannten schrecklichen Erfahrungen decken sich mit Berichten, die auch dem Auswärtigen Amt bekannt sind." Neben den bereits bestehenden Sanktionen prüfe man weitere Maßnahmen. Die iranische Botschaft in Deutschland und das iranische Außenministerium ließen eine Anfrage unbeantwortet.

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